Die im Juni 2020 eröffnete Abschlussausstellung der Klassen von Prof. Markus Lüpertz konnte aufgrund der Corona-Beschränkungen nicht als Präsenzveranstaltung stattfinden. So haben wir die Ausstellung für Sie aufgenommen und virtuell zugänglich gemacht. Durch einen Klick auf das Plakat gelangt man zur Ausstellung.
Klicken Sie sich durch die beiden Ausstellungsräume, um die Bilder der Absolventen betrachten zu können. Sie können sich vorwärts bewegen und um die eigene Achse drehen. Durch Klick auf die Tür gelangen Sie zum zweiten Raum. Die Angaben zu Bild und Künstler sind jeweils über die darunterstehenden Symbole aufrufbar.
Es ist wichtig zu verstehen, dass Kunst keinen allgemeingültigen Zustand kennt, sondern ein Kontinuum ist, dessen Zeit- und Raum-Achsen für jeden Künstler sehr unterschiedlich sein können. Es gibt also in der Kunst keine über allem stehende Gesetzmäßigkeit, die für alle und alles zu jedem Zeitpunkt gelten könnte. Man gibt sich leicht der Illusion hin, Kunst sei messbar, angelegt an die Dimensionen der Naturwissenschaften begreifbar und erfassbar.
Wer Kunst verstehen will, muss wissen, dass es eine unendliche Anzahl von Kunsträumen gibt, innerhalb dessen sich Kunst mit unterschiedlichster Gesetzmäßigkeit entwickelt. Das Kunstuniversum besteht aus vielen Welten, die von Künstlern besiedelt sind. Jeder Kunstraum folgt einem eigenen Gesetz, hat eigene Kräfte und eigene Regeln. Und nur nach diesen kann die Kunst eines einzelnen Künstlers in eben diesem einzigartigen Raum verstanden und begriffen werden. Jeder Künstler erzeugt also seinen Raum. Man muss dort eintauchen, in die eine Welt. Erst, wenn man das verstanden hat, versteht man auch die Kunst. Nur wer in der Lage ist, in diesen Raum einzutreten, kann verstehen, was dort passiert. Von außen erschließt sich das nicht.
Kunst ist also individuell. Nie gleich, immer anders. Kunsträume sind Sphären. Gute Kunst bleibt im gleichen Raum, bewegt sich innerhalb dieser Sphären nach immer gleichen Gesetzmäßigkeiten. Gute Kunst erlaubt zu verstehen, anhand des angewandten Regelwerks und dabei verwandter Parameter richtig und falsch zu unterscheiden. Kunst öffnet sich der Analyse, wird nachvollziehbar. Jetzt erst erschließt sich, was der Künstler vorhat, wo er herkommt, warum er so arbeitet, wie und wohin er sich entwickeln kann. Jetzt erst erkennt man die Handschrift, die Geschichte des Künstlers.
Von Gesetzmäßigkeiten in der Kunst gehen allerdings auch Gefahren aus. Die Erkenntnis, gute Kunst könne bestimmten Regeln folgen, erwidert der schlechte Künstler mit Methode. Er neigt zu Wiederholbarkeit entlang bekannter Regeln durch Methode. Methode ist aber ein Stehenbleiben ohne weitere Entwicklung, statisch. Deshalb verschiebt der gute Künstler sein Regelwerk und bricht mit den von ihm selbst vertretenen Regeln, setzt Regeln aus, überschreitet bisherige Grenzen, erweitert seinen Raum um neue Regeln und folgt fortan neuen Gesetzen. Er ist derjenige, der die Regeln macht, und nur er. Er hat in seiner Sphäre, auf seinem Planeten alleiniges Administratorrecht.
Jede individuelle Welt wird durch jeden Regelbruch also größer, dehnt sich aus, wird dynamisch. Die Kunst insgesamt mit ihren unzähligen Welten dehnt sich aus und wird reicher. Wer in der Lage ist, dies zu verinnerlichen, wird der Kunst ein neues Verständnis entgegen bringen, wird auf die Suche gehen nach der Welt, die ihm zusagt.
Klaus Enßlin wurde 1955 in Reutlingen geboren. Seit den ersten künstlerischen Entwürfen in der Jugendzeit galt sein Interesse immer auch der Technik. Technik und Kreativität zu verbinden war Ausgangspunkt und Triebfeder für die Entwicklung zweier paralleler Laufbahnen als Ingenieur und Künstler.
Klaus Enßlin studierte Luft- und Raumfahrttechnik. Nach Studienaufenthalten in Frankreich und England promovierte er in Wirtschaftswissenschaften. Es folgten über 25 Jahre in führenden Positionen in der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie.
Während all der Zeit nahm Klaus Enßlin Unterricht an verschiedenen Kunstakademien u.a. in Trier, Augsburg und Überlingen. Von Bedeutung war zuletzt ein mehrjähriges Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Kolbermoor, wo er 2021 diplomiert wurde und daran anschließend die Meisterklasse von Prof. Markus Lüpertz absolvierte.
In Enßlins Werken finden sich viele Spuren seiner technischen Vergangenheit wieder. Seine Kompositionen sind genau geplant und unterliegen einem strengen Ablauf in der Ausführung. Linie, Form und Farbe werden kontrolliert gesetzt. Seine Werke wirken klar und determiniert. Grafische und geometrische Elemente dominieren. Seine Motive sind kontrastreich scherenschnittartig abstrahiert. Er gehört der Kunstrichtung der geometrischen Abstraktion an.
Neben der klassischen Malerei widmet sich Klaus Enßlin auch dem Siebdruck und der Bildhauerei. Seine Arbeiten aus Glas fließen zunehmend auch in die Baukunst ein.
Er lebt und arbeitet heute in Immenstaad und Reutlingen.
Eine Auswahl kleiner Bilder in den Formaten 50 x 40 cm und 60 x 60 cm auf Leinwand. Sie sind das Resultat einer Serie von Aktzeichnungen aus dem Jahr 2018, die bereits auf Leinwand vorlagen, aber noch keine Farbe enthielten. Zum Einsatz kamen verschiedene Arten von Malmitteln: Aquarell, Acryl, Kreide, Tinte, Tempera, Venyl, Firnis.
“ Die Forderung nach dem Neuen hat sich heiß gelaufen, und man versucht, die Sache abzukühlen, indem man auf den Eventcharakter setzt und ihn hochhält und dann beglückt daraus den fatalen Schluss zieht: Neu ist, was Unterhaltungswert hat. Kunst aber hat mit Unterhaltung nichts im Sinn, Kunst ist Sein, Kunst ist etwas, mit dem man lebt. Es ist ja nicht so, dass wenn man einmal ein Bild gesehenen hat, es ein für alle Mal erfasst ist und man es nie wieder anzuschauen brauchte. Sondern die Hinwendung nimmt kein Ende, weil beständig neue Ansichten hervortreten, so oft man auch hinsieht. „
„Grundsätzlich hat der Umgang mit Tradition offen und kreativ zu sein. Sie ist nie um ihrer selbst willen anzunehmen, das wäre gestrig, bürgerlich, angepasst, mit einem Wort: traditionell. Gegen ein solches Verhalten ist als Lebensentwurf beispielsweise nichts zu sagen, aber es taugt nicht für die Kunst und kann nicht ihr Anliegen sein.
Die Tradition ist eine Größe, die es zu bewältigen gilt, die zu umfahren ist, was nicht meint, sie links liegen zu lassen, sondern mit ihr produktiv umzugehen….. Sie muss selbstverständlicher Bestandteil unseres Handeln und Agierens sein. Unser Umgang mit ihr sollte ungestüm sein …. Nicht zu unterschätzen ist schließlich, dass Tradition letzten Endes als maß, als Größe und Wertung lebendig zu erhalten ist, damit das neue und das Andere sich davon abheben und begriffen werden können. Wenn Tradition als Größe erscheint, die wir zum Urteilen brauchen, dann kann sie zu Norm und Gesetz verhärten und ist in dem Moment, da sie normativ auftritt, anzugreifen und abzulehnen. „
Markus Lüpertz, 2005 aus: Der Kunst die Regeln geben, ein Gespräch mit Heinrich Heil, Markus Lüpertz, Amman Verlag, 2005
„… Wenn du einen Akt so malen würdest, mit dieser
Freiheit, mit der Farbigkeit, dann wärst du da, wo du hin musst. Dies ist das
seltsame Geheimnis der gegenständlichen Malerei, die es eigentlich gar nicht
gibt. aber in der Sichtbarmachung des Gegenstandes gibt es sie wohl. ….
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Nach der Erfindung der sogenannten „gegenständlichen
Malerei“, gab es plötzlich die „abstrakte Malerei“, die es auch eigentlich
nicht gibt. Und die war auf die Dauer ziemlich langweilig. Also man kann es
netter sagen: sie hat sich dann irgendwie erschöpft. Du kannst wieder mal was
schütten, kannst eine Nierenform immer wieder machen, du kannst ein
konstruktives Bild malen, du kannst gerade Linien malen, oder sowas wie
Vasarely machen und so weiter. Und da das alles Grenzen hatte, sind die Maler
wieder auf die Gegenstände zurückgekommen. Aber nicht um den Gegenstand zu
malen, sondern um die Abstraktion zu erweitern. Der Gegenstand nutzt uns heute
zur Erweiterung der Abstraktion. ….
Die Einstellungen mit der du ein abstraktes Bild
malst, das im Bild auf einen Gegenstand zu übertragen, dass du vor allem Spaß
am Gegenstand hast, das ist letzten Endes dein Talent und du kannst dich am
Gegenstand am besten mit anderen vergleichen. Eine meiner großen Theorien ist:
In der Kunst gibt es nur Qualitätsfeststellung im Vergleich! Du musst
vergleichen, was du siehst, egal wo du stehst, egal welche Position du einnimmst,
egal was du machst, du musst immer vergleichen. ….
Deshalb ist es ja auch gut, dass ihr in die Kurse geht, dass ihr viele seid. Ich war mein ganzes Leben in Museen. Warum gehe ich ins Museum? Um mich ständig mit den Zauseln, die da hängen, zu vergleichen. Diese Freiheit, die ihr habt beim abstrakten Malen, nützt die, und versucht diese zu disziplinieren, zu beherrschen, dass man gegenständlich damit malen kann, dann hast du wirklich ein eigenes Universum, wo es nie Probleme gibt, was du malst, dann ist das automatisch gegeben. …“
Prof. Markus Lüpertz, Akademie der Bildenden Künste, Kolbermoor 2019
“ Frag mich nicht was Du machen sollst, ich kann nur darauf reagieren, was Du machst. Ich kann nur über das reden, was gemacht wird. Das ist ein tolles Bild, weil es eine Idee von einem Kopf ist und einer Leinwand, mach doch mal 10 Stück davon, dann können wir drüber reden. im Anschluss sage ich dir ober es gut war oder schlecht. „
“ Das ist alles zu raffiniert, mal doch einfach mal, du bist doch kein Illustrator, vergiss mal die Leinwände da drunter, du musst an den Kern der Sache kommen, das ist alles zu illustrativ, mach auf weiße Leinwand oder Papier „
“ Solange du an der Sache arbeitest muss du die Proportionen achten, konzentriere dich vor dem malen auf die Zeichnung, die muss stimmen. Sie fangen an zu malen, wenn die Zeichnung stimmt, nein die Proportionen müssen stimmen! Du kannst das auch skizzenhaft anlegen und dann mit der Farbe korrigieren. Diese Übertreibungen, das möchte ich euch beibringen, dass ihr den Körper selbst entdeckt und begreift. Nicht festlegen, nass offen, frei bleiben. Du kannst auch gleich mit dem Pinsel rangehen, nur du musst die Strecken hinkriegen. „
“ Du solltest noch mehr hingucken und übertreiben. Oben Dünn unten Dick! Mach den Unterschied deutlich. Bisschen großzügiger. Das ist eine Vorstellung von dem was Du siehst, ohne dass du hingeguckt hast. Vielleicht ein bisschen härter, nicht ganz so raffiniert. Busen ist schön auf der Strecke, aber er sitzt anderes im Verhältnis zum Po. Das spannende am Akt ist die Beziehung zueinander. Schmal – Dick, nicht überall gleich, wenn Du genügend nackte Frauen gesehen hast, kannst Du das auch aus dem Kopf machen. Du machst das alles so raffiniert, hat das alles nass gemacht… du bist ein richtiges Filou ….. So ne Linie ist ein Verbrechen …. das gibt es in der ganzen Natur nicht!“
Prof. Markus Lüpertz, Akademie der Bildenen Künste, Kolbermoor, 2018
Sirenen ist eine kleine Serie von tanzenden Akten. Jedes Bild misst 80 x 80 cm und ist in Acryl gemalt. die Arbeiten entstanden im Mai 2019 während eines einwöchigen Aufenthaltes am Kunstforum Montafon in Schruns unter Leitung von Bogdan Pascu.
Schon seit alter Vorzeit genießt die geheimnisvolle Legierung
aus Kupfer und Zinn großes Ansehen, weil sie wie andere Edelmetalle von
großer Beständigkeit ist. Seit der Bronzezeit gilt für die Kunst der
Wunsch nach Ewigkeit. Umso wichtiger war es, dass sie erhalten blieb.
Bronze erfüllt diesen Wunsch und so begleitet die Kunst der Bronze die
Geschichte der Völker von der Antike bis zum heutigen Tag.
Überraschung, emotionale Beschäftigung wünscht sich Bogdan Pascu, bei dem ich eine Woche ein Seminar in Schruns besucht hatte.
Seine Beschäftigung mit der Kunst ist prozessorientiert und intuitiv. Die intensive sinnliche Erfahrung, die Leidenschaft während der Arbeit als Mittel zur Erkenntnis betrachtet er als zentrales Ziel der künstlerischen Auseinandersetzung. Qualität steht in direkter Relation zur Intensität der sinnlichen Erfahrung und zur Fähigkeit der Dauerbegeisterung.
Verdichtung, Vertiefung, Konzentration und Selbstdisziplin sind konstante Parameter der Malerei. Recherche, Dokumentation, Kontext, sozial-politisches Engagement, Themenbezug sind dem malerischen Prozess untergeordnet. Bilder müssen auf verschiedenen Wahrnehmungsebenen erfahrbar sein.
Expressive Gestik und der Arbeitsduktus sowohl in der Zeichnung als auch in der Malerei sind hervorzuhenben. Malerei bleibt immer offen, unfertig. Bilder sind Baustellen und Spielwiesen. Fehler und Korrekturen bleiben sichtbar und werden zu Gestaltungsmittel.